oder: Vom Gebogen-Gerade und warum schief nicht immer schlecht ist…
Erstmal zum Obst: ganz einfach – weil sie so wächst, in einem Bündel. Gibt aber auch gerade Bananen… Nicht so die Pferde, die wachsen hartnäckig schief und wollen sich so gar nicht wie die Bananen biegen. Die kommen ja aber auch nicht im Bündel auf die Welt, sondern als Fluchttiere, die schon sehr früh sehr schnell rennen müssen, damit der Säbelzahntiger sie nicht zum Abendbrot verspeist. (Der wohnt übrigens auch oft in einer Ecke der Reitbahn und natürlich immer im Wald. Er tarnt sich auch gern als großer Stein. Oder gelber Sack. Aber darüber an anderer Stelle mehr.)
Wenn ich aber so schnell renne, dass meine Hinterbeine meine Vorderbeine sozusagen überholen (die Hinterfüße also vor dem Punkt auffußen, an dem ich gerade noch meine Vorderbeine abgesetzt habe), dann laufe ich große Gefahr, mir selbst in die Hacken zu treten und mich dem Tiger direkt vor die Füße zu werfen. Bei den großen Katzen passen die Hinterläufe zwischen den Vorderläufen hindurch, aber mit breitem Becken und großer Kruppe (der Aufbewahrungsort der großen ausdauernden Rennmuskulatur der Pferde), geht das nicht – die Scherkräfte wären so stark, das Pferd würde sich das eigene Becken verschieben oder sogar brechen.
Was also tun? Beide Hinterbeine an den Vorderbeinen außen vorbei klappt auch nicht, da die meisten Pferde hinten enger fußen also vorne – also ein Bein zwischen die Vorderbeine und das andere an einer Seite vorbei. Perfekt. Schiefer Renngalopp und alle Beine noch intakt nachdem der böse Tiger endlich abgehängt wurde. Prima. Wenn da nur der Reiter nicht wäre, der nun (ganz richtig) zum Wohle des Pferdes beschlossen hat, dass es ihn gesund und gut balanciert durch die Gegend tragen soll. Da ist die natürliche Schiefe ein Problem, denn Balance benötigt – hier jedenfalls – Symmetrie, und das drei-dimensional.
Hier nur kurz angedacht: wir müssen also dem Pferd auf der “Schulter von uns weg”-Seite das Schulterherein, und auf der “Kruppe von uns weg”-Seite das Kruppe herein erklären. Und den Vorgriff dabei so schulen, dass das Pferd über seine Vorderfußspur hinausgreifen kann, ohne sich selbst zu treten, also leicht und in der Schulter erhaben (sprich: mit gehobenem Brustkorb) muss es laufen. Der soll dann noch nach außen stärker rotieren um das Pferd innen ‘kürzer’ – also gebogen – zu machen. Und den Säbelzahntiger komplett vergessend, entspannt und vertrauensvoll soll es sein, das Pferd.
Alles ganz wichtig und richtig, nur manchmal nagt an mir der Verdacht, dass die Menschen doch zu leicht vergessen, dass unsere geliebten Pferde konstant dem Tod ins Auge sehen, auch wenn er für uns nur aussieht wie ein gelber Sack. Und die Schiefe, die wir seufzend beklagen, auch ihre absolute Berechtigung hat.