Hätte, hätte, Faszienkette…

Oder: All things are connected…

Faszien (von lat. Fascia = Bündel) sind faszinierend (von lat. fascinare – beschwören, verzaubern) – dünne Häute, die alles umschliessen und deren Spannungszustand einen so großen Einfluß hat, dass er von der Organstörung bis zur Lahmheit eine ganze Reihe von Krankheitszuständen auslösen kann. (Diese sind selten allein den Faszien geschuldet, die ja selbst durch andere Teile des Systems beeinflusst werden, aber sie sind ungemein wichtig in der Funktion des Körpers.) Im Umkehrschluss lassen sich auch viele Krankheitsbilder positiv beeinflussen, indem man die entsprechenden Faszien behandelt.

Aber was sind denn eigentlich Faszien? Und warum sind sie so wichtig?

Faszien sind festes Bindegewebe, dass flache ‘Häute’ ausbildet, die den ganzen Körper durchziehen. Sie umhüllen alle Muskeln, die Organe, kleiden die Körperhöhlen aus und sind in jeder Körperschicht zu finden. Die sehnigen Endplatten (Aponeurosen) der Muskeln sind ebenfalls Faszien – sie verbinden die dynamischen Muskeln sicher und effektiv mit den passiven Knochen und Gelenken. Sie geben dem Körper eine stabilere Statik und ermöglichen die Fortbewegung.

Das wäre an sich ja schon recht interessant, aber was das Ganze wirklich spannend macht ist die Verbindung der Faszien – direkt oder über Zwischenspieler – miteinander. Da gibt es längs und quer verlaufende Ketten und Züge, Pufferzonen und Stabilisatoren für jede Form der äußeren Einwirkung auf den Körper. Intern funktionieren die Faszien als Kommunikationsnetzwerk – wie ein interner “Information Super-Highway” zur Übertragung von Reizen wie Druck und Zug, Spannung und Entspannung.

Ein gutes Beispiel ist die große Rückenfaszie – die Fascia Thoracolumbalis. Sie bedeckt den oberen Rückenbereich als feste Schicht von der Lendenwirbelsäule bis kurz hinter den Widerrist und verbindet sich seitlich (nach unten) mit der Rumpfmuskulatur (insbesondere mit dem M. latissimus dorsi). Sie bietet den vielen wichtigen Nerven nahe der Wirbelsäule Schutz vor den Krallen eines aufspringenden Raubtiers, stabilisiert den Rücken und fängt Stöße aus jeder Richtung ab. Sie ist ein großer Teil der äußeren Kette, die vom Kopf des Pferdes bis zu seiner Schweifrübe reicht und überträgt Information über den jeweiligen Spannungszustand der benachbarten Faszien.

Und nun wird es direkt für des Reiter relevant, der sich fragen mag: ist ja verständlich, das es meinem Pferd besser geht, wenn es insgesamt schön entspannt ist, aber wie soll ich wissen, ob da was nicht stimmt? Faszien kann ich ja schliesslich nicht sehen. Und wenn das Pferd nicht lahmt oder deutlichen Unwillen zeigt, wer würde da ein Problem vermuten?

Pferde sind Bewegungskünstler. Als Fluchttiere MÜSSEN sie weiterlaufen, egal wie, denn wer stehen bleibt wird gefressen. Oder sagen wir es so: man kann sicher über Vieles hinwegreiten, aber besser wird es dadurch nicht. Und ein aufmerksamer Reiter merkt schnell, wenn wiederholt Probleme bei der Stellung und Biegung auftreten, die vorher nicht da waren, wenn das Pferd kürzer tritt, die Schulter nicht so frei ist wie sonst, oder die “gute” Seite nun plötzlich entweder VIEL “besser” oder doch “schlechter” geworden ist.

Die Ursachen können selbstverständlich vielfältig sein, doch lohnt es sich, bald nach dem ersten Bemerken einer solchen Veränderung im Pferd mal einen geschulten Blick auf die Faszien zu werfen. Eine feste Rückenfaszie – eventuell auch nur auf einer Seite betroffen – macht es dem Pferd fast unmöglich, sich normal vorwärts zu bewegen. Durch das Ausgleichen der fehlenden Beweglichkeit im Rücken werden nun andere Muskeln eingesetzt, “falsch” benutzt und weitere Probleme können entstehen.

Oft merkt man die Verspannung auch gar nicht direkt, sondern nur ihre Auswirkung – das Genick ist “fest”, das Pferd tritt nicht mehr so weit unter, es lässt den Reiter nicht mehr sitzen. Und da er auch noch auf der Rückenfaszie sitzt, wird deren Verspannung noch größer. Auch Narben und tiefere Verletzungen können Verklebungen und negative Spannung in den Faszien zur Folge haben. Eine Schonhaltung zum Ausgleich einer Verletzung ist ebenfalls ein typischer Verursacher von eingeschränkter Faszien-Funktion.

All das lässt sich durch den ausgebildeten Therapeuten generell sehr gut mit verschiedenen Techniken behandeln, und eine deutliche Besserung des Bewegungsablaufs und des allgemeinen Befindens ist meist direkt zu sehen – das Pferd wird ‘freier’ in der Bewegung und kann seine Muskeln wieder optimal einsetzen.

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